Einführung

Ritu Mittal - Tempeltanz / Bharatanatyam, Hamburg

Indien – ein Land der Tanztraditionen

Im alten Indien war der Tanz ein Mittel, um dem großen Teil der Bevölkerung, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren, Zugang zu Wissen über Schriften, Philosophie, Mythologie, Wissenschaften, Handwerk, Yoga und das Wesen der Menschen zu verschaffen. Die Kunst des Natya, oder Tanzdramas, war von solch großer Bedeutung, dass es als das fünfte Veda bezeichnet wurde.

Die Tradition des Bharatanatyam

Bharatanatyam ist eine der jahrtausend-alten Tanzkünste aus Indien. Ehemals wurde sie nur in Tempeln zu Ehren der Götter aufgeführt. Inzwischen wird der klassische indische Tanz als Showtanz mit anderen weltlichen klassischen Tanzformen gleichgesetzt. Mit einem wesentlichen Unterschied: Aufgrund seines spirituellen Ursprungs wird diese Tanzform mit großem Respekt vor dem allumfassenden Göttlichen nach bestimmten Traditionen und rituellen Regeln praktiziert. „Shiva- Nataraja” (König der Tänzer) versinnbildlicht das Absolute, das Höchste. In einem Feuerkreis tanzend steht er für die Erhaltung und Zerstörung im Universum. Bharatanatyam ist ein Abbild dieses ewig währenden kosmischen Tanzes.

Die Figur der Nayika

Als Vermittlerin zwischen Himmel und Erde ist der Auftritt einer ‚Nayika’ (Tänzerin) bei Festen schon fast unerlässlich. Sie trägt ein farbenprächtiges Kostüm, Glöckchen an ihren Fesseln und Schmuck, von dem jedes Stück eine symbolische Bedeutung hat. Seit Urzeiten beginnt und endet Ihr Tanz mit dem „Namaskaram“, einer Huldigung an Mutter Erde. Keine der Bewegungen ist Zufall und soll nur gefallen. Jede kleinste Bewegung trägt eine Bedeutung – das gilt für Arme, Hände, Kopf und Augen ebenso wie für die Füsse. Im Ausdruckstanz werden darstellende Körperhaltungen, Gestik und Mimik verwendet, um den Text eines Liedes darzustellen und zu interpretieren. Die Inhalte des Tanzes stammen aus der hinduistischen Mythologie, Literatur und Religionsphilosophie.

Technik

Die reine Tanztechnik des Bharatanatyam zeichnet sich durch symmetrische Linien der Körperhaltungen, dynamische Sprünge und Beugungen mit kontrastierenden subtilen Bewegungen von Hals und Augen sowie klare und zugleich komplexe Fußarbeit aus. Ziel einer Aufführung ist es, nicht nur zu unterhalten, sondern Tänzer und Zuschauer zu erheben, zu transformieren und ihnen die Erkenntnis ihrer Glückseligkeit näher zu bringen. Neben den körperlichen Tanzübungen wird dem Schüler auch eine neue geistige Perspektive, ähnlich wie im Yoga, eröffnet.